Die Schuldigkeit des ersten Gebots (K. 35): VIII [Recitativo] — Er reget sich
CHRISTGEIST Er reget sich.
BARMHERZIGKEIT Er scheinet zu erwachen.
GERECHTIGKEIT Nun kannst du hier verborgen sehn, ob meine Wort' erwünschte Würkung machen.
Barrnherzigkeit und Gerechtigkeit begeben sich auf den Wolken von hinnen.
CHRISTGEIST Ich will das Beste hoffen. Er verbirgt sich.
CHRIST Wie, wer erwecket mich? Ich sehe niemand hier. War dieses Blendewerk? die Wahrheit oder Scherz? Tod, Hölle, Rechenschaft, ihr Sinne, saget mir ...
WELTGEIST Was Rechenschaft? was Tod? was Hölle? was sollen diese Grillen sein?
CHRIST Freund! wie erwünschlich triffst du ein!
CHRISTGEIST Nun hört er meinen Feind, o Ungelücke!
CHRIST Ach Trost, ach Rat in meiner Seelennot!
WELTGEIST Was ist geschehn?
CHRIST Ein ungewohnter Ruf, der meinen Schlaf gestört und Höllenstrafe droht, hat mich so gar erschreckt, dass ich vor banger Forcht ...
WELTGEIST Ich hab'genug verstanden: Ist dies nicht ein Betrug von unsrer beiden Feind, so war es nur ein eitler Traum, ein Irrwisch, der erlöscht, kaum da er uns erscheint: ein buntes Nichts, ein Schattenwerk. Darum beruhe dich, leg' alle Sorge hin.
CHRIST Es klingen aber noch in meinem Sinn die Wort': Erwache, fauler Knecht! du wirst von deinem Leben genaue Rechnung geben.
WELTGEIST Ich weiss nicht, was ich nun von dir gedenken soll. Verlässt dich deine Witz? Bist du denn ausser dir? Gewiss, du bist Verwirrung voll. Ein Traum, ein' elende Geburt des wallenden Geblüte erschröcket dich, betöret dein Gemüte. Ein Glückes Sohn wie du, der sonst so wohl belebt, bisher von klugen Geist, von Umgang edel war, von jedermann geehrt, verlieret sich sogar, dass er, ich weiss nicht was, auf Träumebilder hält. Hätt' ich so manchen Träumen geringsten Glauben zugestellt, so hätt' ich mir vor Angst und Sorgen schon längst das Leben müssen rauben; du wirst nun besser mir als Träumen glauben.