"In die Ecke, Besen, Besen! Sei's gewesen!" - sprach einst Goethes Hexenmeister. Da entfernten sich die Geister. Doch wir sind lebendige Seelen, und man kann uns nicht befehlen: "Sei gewesen!" Noch nach Jahren sind wir, was wir einmal waren. Dennoch, ist ein Tag verflossen, sind wir neue Zeitgenossen. Und so fragen mich die Leute: "Wer bist du heute?"
Kann ich wissen wer ich bin Hat dies Outen einen Sinn Streng genommen ist doch das Exhibitionistenspaß Nehm ich's aber weniger strenge bad ich gern mich in der Menge zeige allen ungeschützt welche Schraube locker sitzt
Beispielsweis bin ich zu fett jedenfalls für's Ballett Ach für's Bett nicht attraktiv und mein Kontostand ist tief Abends bin ich meist auf Tacco wohnte gerne in Monaco möcht in Mailands Scala singen und den Saal zum Kochen bringen
Bin ein Euro schon seit langem unter Deutschen oft befangen den Eliten und den Massen weiß ich mich nicht anzupassen
Weil ich nicht nostalgisch döse sind mir manche Linke böse Rechte hassen mich verschärft weil mich Chauvinismus nervt Sieh die ganzen trüben Tassen sind nicht wert dass wir sie hassen Leid tun könn' mir die beschränkten ideologisch Eingeengten Und so kann ich nur verachten die da nach Karriere trachten die gehorsam und beflissen handeln gegen ihr Gewissen Wie mich auch Beamte ekeln die in ihrer Macht sich räkeln außerdem bringt mich in Wut wer nichts gegen Rohheit tut
Auch kann ich nicht nachvollziehen dass wir vor dem Neuen fliehen oder Seil und Krücke brauchen und damit durchs Leben krauchen
Festgezurrte Sicherheiten schützen uns doch nicht vor Pleiten auch sind's grad die Niederlagen die uns wirklich weiter tragen Schlimm ist Feigheit vor dem Feind schlimmer Feigheit vor dem Freund und als Freund mir nur gefällt wer nicht Geltung sucht und Geld
Freunde weil sie an mich glauben würden mir den Reichstag rauben und sie stärken mich wenn schwach ich doch wo Machos balzen lach ich Körper mag ich die mich lieben ob sie siebzig oder sieben ob sie Männer Frauen Engel keiner soll den andern gängeln
Liebe ist nicht Liebe machen vielmehr mit einander lachen Geld und Sorgen teilen reden jeder kümmert sich um jeden
Und so sind mir schwule Männer lieber als die Frauenkenner Liebe lieb ich und das Leben möchte nehmen um zu geben Eß gern Fisch und trink gern Wein lach mit dir und sage nein geht's dir schlecht dann halt ich Wache wenn's dir hilft dann schwör ich Rache
Ja so bin ich und so war ich weitere Erklärung spar ich einzeln aber nicht allein bin ich jetzt und will es sein
Barbara Thalheim/Leo Kettler 1998 (auf CD "In eigener Sache")